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Aus Wanlos alter Geschichte

Abschrift
Nr.24 Rheinische Landeszeitung 24. Januar 1937
Aus Wanlos alter Geschichte
Als wildes Kriegsvolk die Ortschaft plünderte / Der Kirchturm stürzte ein.

Es ist immer von eigenartigem Reiz, in der Geschichte der Städte und Dörfer unserer engeren Heimat zu blättern. So stellt uns Herr Werner 0ellers aus Wanlo einige Angaben über die Geschichte Wanlos zur Verfügung, aus denen man sich ein kurzes Bild der Geschichte dieser Ortschaft machen kann.

Eine sehr alte Siedlung.
Der Name Wanlo ist aus zwei Worten entstanden, aus Wan oder Wanne and lo oder Loh. lichter Wald. Wanlo heißt demnach lichter Wald, der in einer Wanne oder Mulde liegt. Das Dorf Wanlo hat schon eine alte Geschichte. Ein Hünengrab und der alte Galgenberg sind Zeugen dafür, daß in frühen Jahrhunderten hier eine Gemeinschaft bestanden hat. Urkundlich kommt Wanlo schon um das Jahr 861 vor. Da wird Wanlo in einer Urkunde als Lehen des reichen Eifelklosters erwähnt. In der Folgezeit wohnten hier mehrere Ritter, was aus den noch vorhandenen Wappen an einzelnen Bauernhöfen zu ersehen ist . Schon im Jahre 861 gab es in Wanlo, wie aus der Urkunde hervorgeht, eine christliche Gemeinde. Ein Edelherr Herimanus de Wanlo kommt 1106 in einer Urkunde des Erzbischofs Friedrich I. von Köln vor. 1158 bestätigt Erzbischof Friedrich II. von Köln dem Nonnen-Convent zu Königsdorf seine Besitzungen zu Wanlo. 1254 fordert Erzbischof Konrad den Grafen von Berg auf, dem Grafen von Jülich keine Hilfe im Kriege zu leisten, weil derselbe noch immer die Herausgabe der Güter zu Wanlo verweigere. Wilhelm Graf zu Jülich verträgt sich 1552 mit Konrad Herrn von Dyck wegen des Dorfes Wannele. 1386 verkauft Gerhard Herr zu Dyck dem Herzog Wilhelm von Jülich Wanlo mit den Gerichten und Gefällen. Die Schöffen von Wanlo bekennen 1553, daß sie dem Herrn Reinard von Anradt Prior in Grevenbroich verkauft haben.

Das waren schlimme Zeiten
Als die Spanier in Deutschland hausten, wurde Wanlo hart mitgenommen. Darüber heißt es in der Zeitschrift des Aachener Geschichtsverein, III: Im Jahre 1585 am 12. April hat das hispanische Kriegsvolk das Dorf Wanlo, Keyenberg und Junker Zuyrß redliche Behausung in Westrich einbekommen und spoliert. Am 21. und 22. Januar 1586 haben sie sich in die Dörfer Wanlohe und Keyenberg und Holzweiler eingelagert und die Untertanen über ihr Vermögen gezwungen. Am 15. Mai 1585 sind die auf den Häusern von Odenkirchen, Horst und Glehn liegenden Kriegsleut mit den Linnischen, Uerdingischen und Kaiserswerdischen in der Nacht in die 2oo Mann stark in das Dorf Wanlo gefallen, daselb angestochen,13 Häuser abgebrennt, das ganze Dorf spolirt, 5 Pferde 70 Stück Rindvieh, 3o Schweine, 15o Schafe geraubt, die Kirch ufgebrannt, alles werth was darin war mitgenommen, und auch noch drei Hausleute erschossen, und eine Frau mit zwei Kindern verbrannt und haben den Raub auf Burg Odenkirchen geteilt, und ist ein jeder Hauf mit seinem Teil hingezogen.
Eine alte hölzerne Tafel mit Wappen in der Sakristei der alten Kirche sagt:
Anno 1587 den 14. Februar sind die edlen und ehrenfesten Robert und Bernard von Wildenrath, Vater und Sohn, auf ihrem Gute Wildenratherhof unschuldig und erbärmlich entleibt. R.i.p. Mit einem Eichenbrett hat man sie durchsägt.
Zur Zeit des spanischen Krieges haben die Schöffen von Wanlo 3 3/4 Morgen Kirchenland verkaufen müssen, um entstandene Lasten zu bezahlen. Nicht minder groß waren die Brandschatzungen, Kontributionen und Einquartierungen im 3ojährigen Krieg in Wanlo. 1624 geriet der Pastor Tetzius in holländische Gefangenschaft und schmachtete darin 13 Wochen lang. 1634 plünderten die Hölländer die Kirche, raubten die Wertsachen, vernichteten die Dokumente und verwundeten und töteten mehrere Einwohner. 1642 wurde der damalige Vitenius verbannt, so daß lange Zeit kein Geistlicher im Dorfe war und man die Kinder nach Erkelenz zur Taufe bringen mußte. In dieser Zeit plünderten die Hessen abermals die Kirche und das Dorf Wanlo.

Kleine Pfarrgeschichte
Wanlo mit Kuckum gehörten 1650 zum Amte Caster. Die damals eingepfarrten Orte Venrath und Kaulhausen gehörten unter Dahlem, jetzt Rheindahlen. Im 14. Jahrhundert finden wir Wanlo mit einem Vikar als selbständige Pfarre der Christianität Bergheim verzeichnet. Das Patronat übte der Herzog von Jülich aus. Venrath und Kaulhausen gehörten zur Pfarre Wanlo. In Venrath war eine Kapelle, wo Sonn- und Feiertags eine Frühmesse gelesen wurde. 1606 war Venrath dann zur Pfarre erhoben worden. Durch die Zeitverhältnisse war die Pfarre aber alsbald wieder eingegangen. 1750 wurde Venrath wiederum zur Pfarre erhoben. Doch erwirkte der damalige Pfarrer von Wanlo vom Landesherrn, dem Kurfürsten von der Pfalz, einen Gegenbefehl. So blieb denn Venrath in seinem alten Verhältnis zu Wanlo, bis am 1. März 1804 der Bischof von Aachen Venrath den Rang einer Succursalpfarre verlieh, der er Kaulhausen, Beckrath und Herrath zugesellte.

Als der Kirchturm einstürzte
Interessant ist die Geschichte der Pfarrkirche. Wanlo hatte vor der jetzigen Kirche eine Kirche, die im Frühjahr 1898 abgerissen. Wurde .Diese Kirche stammte in ihren ältesten Teilen aus dem 12. Jahrhundert. Sie war eine einschiffige kleine romanische Pfeilerbaslika. Der Turn der Kirche stürzte am letzten Ostertage des Jahr es 1752 ein. Der damalige Pastor Kirchbauer war der Ansicht, der Einsturz sei eine Strafe Gottes für das damals in Wanlo anscheinend sehr beliebte Kartenspiel, dem sich die Einwohner während des Gottesdienstes hingaben. Aus der alten Kirche befindet sich noch ein alter Taufstein aus dem 11. oder 12. Jahrhundert und eine alt e Glocke aus dem Jahre 1404 in der neuen Kirche. Die neue Kirche wurde in den Jahren 1899 and 1900 erbaute In Jahre 1791 kam Wanlo unter französische Verwaltung. Am 15. Januar 1814 kam es wieder an die Krone Preußens zurück. An diesem Tage konnten die Wanloer die Vorposten der Alliierten (Preußen usw.) willkommen heißen.
In Jahre 1817 herrschte in Wanlo eine große Hungersnot. Für ein zwölfpfündiges Schwarzbrot mußte man einen Reichstaler zahlen. Noch im vorigen Jahrhundert wies Wanlo eine Reihe von Wassermühlen auf, die an der Niers in Betrieb waren. Am westlichen und östlichen Ausgang des Dorf es standen zurzeit auch noch zwei Windmühlen. Neben der Landwirtschaft betrieben die Wanloer in früherer Zeit einen ausgedehnten Flachsanbau and die Leinenweberei. Fast in jedem Hause war ein Webstuhl. Besonders während des Winters wurde fleißig gesponnen. Das dauerte etwa bis um die Mitte des vorigen Jahrhunderts.
Wanlo hatte auch einen Galgenberg, eine Richtstätte, auf der die Verbrecher hingerichtet wurden. So geschah am 2. 0ktober 1758 noch die Hinrichtung von Heinrich Billstein and Michael Schiffers. Am 3. Oktober war die Tortur eines Ludwig Vieten auf dem Galgenberg.

Ehemalige Rittersitze
Wer heute nach Wanlo kommt, dem fallen besonders einige große Bauernhöfe auf, die an der Peripherie des Ortes liegen. Zunächst ist, wenn man von Wickrathberg kommt, der so genannte Cappelshof zu sehen, der inmitten von Wiesen liegt. Am Dorfausgang auf Kuckum zu liegen der Schwalmer Hof und der Wildenrather Hof. Diese Höfe gehörten einst Rittern. Längst ist aber diese ritterliche Herrlichkeit dahin. Nur noch dem Heimatkenner, der die Geschichte aus den alten Chroniken her kennt, ist ihre Bedeutung bekannt.
Die Besitzer und Pächter der Güter Cappelshof, Wildenrather Hof und Schwalmer Hof.
(Nach Angaben des Herrn Christian Jorissen und des Herrn Josef Heinen im Jahre 1966)
Cappelshof Wildenrather Hof Schwalmer Hof
Knorr
Breuer
Herfs
Heinen
Belser / Behrenberg
Heinen (Pächter)
Christian Jorissen (Eigentümer)
Josef Sauerland (Eigentümer)
Hoffmann- Decker (Eigentümer)
Mehl
Borges (Eigentümer)
Lörken (Eigentümer)
Platen (Eigentümer)
Weckmüller (Eigentümer)
von Hasselt (Pächter)
Neulen (Eigentümer)

Pfarrer Georg Hütten
Auf Pfarrer Adolf Plönnies folgte Pfarrer Georg Hütten. Dieser schreibt in der. "Chronik der Pfarrgemeinde Wanlo" - und das mag vielleicht bezeichnend sein für die Persönlichkeit und des spätere Geschehen um die Person des Pfarrers - über sich selbst unter "Einführung des neuen Pfarrers"
Am 1. August 1908 wurde zum Pfarrer von Wanlo ernannt der bisherige Domvikar Georg Hütten zu Köln. Geboren am 5. November 1870 zu Walheim im Landkreis Aachen als Sohn des Lehrers Johann Georg Hütten, besuchte er das Kaiser Karl Gymnasium zu Aachen, die Universität zu Bonn and wurde am 15.August 1895 in Köln zum Priester geweiht. Seine erste Anstellung erhielt er als Domvikar an der Metropolitankirche zu Cöln and als Bischöflicher Kaplan des hochseligen Weihbischofs Dr. Hermann Joseph Schmitz zu Köln, den er bis zu seinem am 21. August 1899 erfolgten Tode begleitete. Nach dessen Tod war er Kanzleidirigent am Erzbischöflichen Generalvikariate und Schriftführer des Deutschen Vereins vom hl. Lande. Als solcher besuchte er im Jahre 1900 and 1906 das heilige Land and erhielt den Orden vom hl. Grabe und das Kommandeurkreuz des Türkischen Medjidie-Ordens.
Pfarrer Hütten verstand es, kirchliche Anlässe besonders feierlich zu gestalten. Fast immer fand eine Prozession mit "weißen Kindern" und. vielen Meßdienern statt. Besonderen Nachhall fanden seine Predigten - wenn Sie auch manchmal mit allza "donnernder" Stimme schimpfend über den einen oder anderen Mißstand im kirchlichen Leben der Gläubigen durch die vollbesetzte Kirche schallten. Besonders widmete sich Pfarrer Hütten den kirchlichen Vereinen. Unter seiner Amtszeit wurde der Borromäus-Verein neu eingerichtet, 1909 die St. Antonius-Bruderschaft zu neuen Leben erweckt, ebenfalls 1909 ein Marianische Jungfrauen-Kongregation gegründet, 1910 folgte die Marianische Jünglingskongregation mit dem Tite1 "Hermann-Joseph-Jünglingsverein" am 16.Oktober 1910 die St. Michaels-Bruderschaft, am. 25.Dezember 1911 der Mütter-Verein gegründet, am 6. Januar 1912 der Kindheit-Jesu-Verein, am 8. Dezember.1912 der Verein "Männer-Apostolat".
Vom 13. April 1910 bis zum 29. Mai 1910 machte Pfarrer Hütten eine Pilgerfahrt zu den hl. Stätten Palästinas gelegentlich der Einweihung der Sionskirche. Auf der Rückreise besuchte er Rom. Von Montag, dem 20. April bis zum 9. Mai .1914 befand sich der Pfarrer auf einer Romreise zum hl. Vater Pabst Pius X.
Am 1. September 1908 wurde der Pfarrer zum Ortsschulinspektor ernannt. Er ergriff daraufhin die verschiedensten Maßnahmen auf schulischem Gebiet. Am 1. November 1911 gründete der Pfarrer zu Wanlo wie auch zu. Kuckum eine ländliche Fortbildungsschule mit zusammen 45 Schülern an welcher er samt den Lehrpersonen den Unterricht erteilte. Anfangs als Privatschule gegründet fand sie die Gutheißung des Reg.- und Schulrates Dr. Maskus, der sie mehrere male besuchte und wurde von der Gemeinde übernommen.
Um die jungen Mädchen zur Führung des Haushalts im Kriege anzuleiten gründete Pfarrer Hütten Ostern 1917 eine Hausmädchenschule, in welcher jedes mal ein Kursus von 16 Mädchen Unterweisung im Kochen und Nähen, Flicken etc erhielten.
Am Sonntag, dem 3o. September 1917 fand im Beisein des Geheimrats Dr. Maskus aus Düsseldorf Schulrat Schifferens, Rheydt, Landrat Baron von Byem-Grevenbroich, Bürgermeister Scholl, des Gemeinderates und vieler Anwesenden die Besichtigung und Prüfung der Schule statt. Dieselbe fand die vollste Anerkennung und wurde zur Nachahmung empfohlen. lm Laute der Zeit wurde dieselbe von vielen Interessenten und Bürgermeistern zur Informierung besichtigt und in Jahre 1918 von der Gemeinde übernommen.
lm Anschluß an die Schule veranstaltete Pfarrer Hütten einen Kursus für Anfertigung von Haus-Schuhen, an denen nach und nach
85 Teilnehmer auch viele Frauen teilnahmen.
Zur Bekämpfung der Tuberkulose gründete der Pfarrer eine örtliche Fürsorgestelle nebst Kursus für Säuglingspflege, an welche
47 Mädchen und Frauen teilnahmen. Für die Säuglinge wurde eine 14-tägige Mütterberatungsstunde eingerichtet.
Lehrerin an der Haumädchenschule wurde Fräulein Elise Mertens geb. 31.Mai 1895 als Tochter des Oberstadtsekretärs Leopold Mertens zu Mönchengladbach.
Unter Pfarrer Hütten brach 1914- der Weltkrieg aus. In der Pfarrchronik ist manches über Kriegsmaßnahmen nachzulesen, z. B Gottesdienst für die Gefallenen, "Religiöse Kriegsfürsorge", "Kriegsmaßnahmen", Soldatenfürsorge", "Sammlung", "Aufklärung des Volkes"
Als wesentliche Punkte mögen folgende Vorgänge aus der. "Pfarrchronik" herausgenommen werden:

Krankheiten:
Wohl eine Folge des Mangels an Fett und schlechter Ernährung war das Auftreten einer Drüsenanschwellung bei den Kindern in der Zeit vom. 15. Juni bis 1. Juli l9l5, infolgedessen die Schulen für 14 Tage geschlossen wurden. Es fehlten in jeder Klasse ungefähr 4/5 der Schüler.

Revolution:
In Deutschland bildete sich eine sozialistische Regierung und die Revolution warf ihre Wellen bis in den kleinsten Ort. Auch hier bildete sich ein Arbeiter- und Soldatenrat, aber mehr um auswärtige Elemente, die solches beabsichtigten, fernzuhalten. Wie harmlos diese Räteregierung war geht zur Genüge daraus hervor, daß der Pfarrer als geistlicher Berater einstimmig gewählt und zu den Beratungen zugezogen wurde. Vorsitzende des Arbeiterrates war Martin Hamacher and Anton Schäfer.

Besetzung des Ortes:
Am 27-November 1918 übernahm ein französischer Hauptmann in Hochneukirch die Ortskommandantar für Wanlo. Der Pfarrer and 6 andere Wanloer Bürger wurden als Geiseln bestellt and mußten sich ein halbes Jahr lang jeden Donnerstag morgens 9 Uhr in Hochneukirch melden.

Schulausfall wegen Kohlenmangel:
Die Not an Brennstoff wurde so groß, daß seit den Herbstferien 1918 bis zum 29. Januar 1919 wegen Kohlenmangel der Schulunterricht ausfallen mußte.

Wahlen 1918:
Am 19. November 1918 fanden die Wahlen zur Nationalversammlung statt. Zum erstenmale wählten auch die Frauen mit; jeder Deutsche, der 20 Jahre alt ist, ist wahlberechtigt. Es wurden hier 137 sozialistische Stimmen abgegeben, was aber mehr der Ausdruck der Missstimmung gegen die Kommunalverwaltung wegen Zurückweisung von Reklamationen und Missstimmungen in der Lebensmittelversorgung war. Wahlbeteiligung war 90 - l00%.

1919:
Das Jahr 1919 begann unter fremdländischerem Druck and unter strenger Besatzung. Jeden Donnerstag wanderten 7 Miann von Wanlo incl. Pfarrer zum Ortskommandanten in Hochneukirch um sich zu melden. Viermal wurde der Pfarrer vor den Kommandanten geladen, verwarnt und mit Strafen bedroht. Als Verbrechen wurde ihm vorgehalten, die Hirtenbriefe des Herrn Kardinals in der Kirche vorgelesen zu haben. Der Kommandant behauptete, der Pfarrer sei ein Hindernis für die pénétration pacifique der Bevölkerung.

Allgemeines über die Weltlage:
Wie sich nach dem Waffenstillstand die Verhältnisse geändert, darüber mag nachstehende Aufstellung der Preise für. Lebensmittel, Kleidung, Vieh usw. Kunde geben. Infolge des Streiks, der Arbeitsunlust, der rechtsrheinischen Unruhen, des Schieber- und Wucherertums, der schlechten Valuta (eine Mark =6 Pfg.) stiegen die Preise ins Ungeheure:
1 Ltr. Milch kostete 2,10 Mk, ein Pfund Butter 25-30 Mk (war aber trotzdem nicht zu haben, da mancher Landwirt sie geheim absetzte, aber nicht an Einheimsche um nicht als Wucherer zu gelten) ein 12-pfündiges Brot 6,60 Mk, 1 Pfd Margarine 15 Mk, ein Paar Herrenschuhe 180 - 200 Mk, ein Herrenanzug 1000 - 1200 Mk (was vor dem Krieg einen solchen von 5o - 6o Mk entsprach), 100Pfd. Stroh 25 - 30 Mk, ein Ei 2,50 Mk, ein 6 Wochen altes Schwein I50 Mk, eine milchgebende Kuh 3000 - 40000 Mk, eine Ziege 400 - 500 Mk, ein gutes Ackerpferd 12000 - 15000 Mk.
So am 31. Dezember 1919. Nach dem Elend des Krieges und dem Mangel an Lebensmittel nun die Teuerung.

Kohlenmangel:
Wegen Kohlenmangel mußte der Schulunterricht wiederum vom 8. - 16. Februar ausgesetzt werden. Der Religionsunterricht wurde während der Zeit in der Kirche bzw. in der Sakristei erteilt.

Rückgang des religiösen Lebens:
Am 29.Januar 1919 erhielt Wanlo 90 Franzosen für 3 Wochen als Besatzung. Desgleichen an 10. Juli 1919 bis 6. Juli 1919 eine. Abteilung von 2 ½ Kompanien. Sie letzteren veranstalteten fast jeden Abend und regelmäßig sonntags Tanzmusik und allmählich ließen sich viele, namentlich junge Mädchen in den Strudel der Vergnügungen zum Ärger der Gutgesinnten hineinziehen. Überhaupt nahm auch hier die Vergnügungssucht zu.

Allgemeines über die Weltlage:
Im Jahre 1920 sank der Wert unserer Mark immer mehr und die Teuerung stieg bedeutend.
Wucher- und Schiebertum gewissenloser Menschen (Wanlo nicht ausgenommen) verursachten die höchsten Preise, welche für die Nachwelt hier festgehalten werden:
Es kostete 1 Pferd 25 - 30 000 Mk, eine Kuh 10 -12 000 Mk, eine Ziege 500 - 600 Mk, ein fettes
Schwein 17-19 Mk das Pfd. Lebendgeeicht, 2 Zentner Weizen (einen Sack) 450-500 Mk, ein Zentner Kartoffeln im Herbst 4o-6o Mk, ein Pfund Butter 35 Mk, hiesiges geräuchertes Schweinefleisch 28 Mk und amerikanisches 22 Mk das Pfund, ein Pfund Weizenmehl 7-9 Mk, ein Liter Milch 2,5o Mk, ein zwölfpfündiges Brot (Schwarzbrot) 13,2o Mk, ein Paar Herrenschuhe 350 Mk, ein Friedensanzug für Herren, der vor dem Kriege für 7o Mk zu kaufen war, die Summe von l800 Mk.
Namentlich war die Kartoffelnot eine große.
Daneben darf aber auch die Mildtätigkeit mancher nicht unerwähnt bleiben.

Kuckum wird selbständiges Rektorat:
Am 10. Juli 1920 fand zu Kuckum nachmittags 4 Uhr die feierliche Einführung des ersten von der kirchlichen Behörde ernannten Rektors Arnold König statt.
Am 22. September 1922 wurde Herr Rektor Arnold König, seit 15 Monaten Seelsorger in Kuckum zum Rektor von Dorf, Pfarre Büsbach, Dekanat Cornelimünster ernannt.
Am 24. März 1923 erfolgte die Ernennung des bisherigen Präses des Konviktes in Erkelenz Herr Wilhelm Ohlert zum Rektor in Kuckum. Am 9. April 1923 wurde Kuckum eine Kapellengemeinde mit eigener Vermögensverwaltung.

Allgemeine Notlage
Im Herbst 1923 erreichte die wirtschaftliche Not ihren größten Tiefstand durch die riesig von Tag zu Tag fortschreitende Geldentwertung. Es kam soweit, daß eine frühere deutsche Reichsmark gleich einer Billion Papiermark war. Infolge der Erwerbslosigkeit stieg auch die Not einzelner Familien in Wanlo und mußte der Caritas - Ausschuß recht häufig mit Unterstützung namentlich durch Kleider und Wäsche in Tätigkeit treten. Die kirchlichen Einkünfte waren infolge der Geldentwertung gleich Null und hielt es schwer, die Gehälter für die kirchlichen Angestellten halbmonatlich aufzubringen. Es waren wohl die ärmsten Weihnachten die 1923 gefeiert wurden.
Das erste Werk zur .Linderung der allgemeinen Not im Jahre 1924 war die Gründung einer Notgemeinschaft für die Pfarre Wanlo, wodurch einer die Lasten des anderen mittrug. Nach einem überaus harten und strengen Winter trat bis Ostern hier eine allmähliche Besserung ein. Auch eine Zunahme, des religiösen Lebens wer zu beobachten, ein Durchdringen des Gedankens, daß, Gott nicht die Menschen, sondern umgekehrt die Menschen Gott notwendig haben. Der Gedanke prägte sich allen noch tiefer ein, als am Pfingstsonntag l924 ein fürchterliches Hagelwetter den südlichen Teil des Ortes Wanlo mit seinen Fluren heimsuchte und die prächtig im Helm stehende Frucht ganz vernichtete. Mit Ausnahme von dreien waren alle versichert. Eine Kirchenkollekte sorgte für die ersteren.
Erwerbslose Banden der benachbarten Industriestädte, welche übertags Gaben sammelten, richteten durch Rauben, Stehlen und Brandstiftung von Scheunen großen Schaden und Schrecken an. In der nächsten Umgebung kam es in Monatsfrist zu 13 Bränden. In Wanlo brannte durch Brandstiftung; eine Scheune ab.

Besondere Ereignisse
Ein tragischer Unglücksfall ereignete sich am 2. Fastnachtstag, indem ein Einwohner anscheinend im betrunkenen zustande die Treppe hinunterstürzte und bewußtlos blieb bis zu seinem nach 36 Stunden eintretenden Tode. Es war bekannt, daß derselbe sich vor einem Jahre am Fastnachtstage den Kopf nach Art der Klostertonsur hatte scheren lassen und in diesem Aufzug auftrat. "Womit Du sündigst wirst Du bestraft" war das Urteil des Volkes. Ein Bruch der Gehirnschale seines Kopfes war die Todesursache. Leider war auch seine Beteiligung am Gottesdienste durch Erfüllung der Sonntagspflicht keine gute gewesen, so daß dieser Unglücksfall allgemein als eine stumme Predigt wirkte. Misericordia Dei super eum!
Die Angaben auf vorstehenden Seiten wurden, wie bereits erwähnt, der "Chronik der Koth. Kirchengemeinde Wanlo" entnommen und sind fast alle von Pfarrer Hütten gemacht worden. Der Chronist hat Pfarrer Hütten selbst bis zu seinem 11.Lebensjahr gekannt. Es muß hier aber angeführt werden, daß Pfarrer Hütten ein Mensch war, der gerne sah, daß seine "Macht "weit reichte und dieses Machtstreben auch zum Ziele führte. Er verstand es, kirchliche Feiern mit besonderem Gepränge zu Feiern, er konnte predigen, aber er konnte auch bis in höchste weltliche "Spitzen" seine Fäden spinnen. Ein Bauer tat einmal einem Fremden gegenüber folgenden Ausspruch: "Unser Pastor ist ein guter Mann, aber wenn Du etwas mit ihm kriegst (gemeint ist, wenn man sich seinen Ärger zugezogen hatte) dann bist Du verloren". Er fürte nachher sogar den Titel Pfarrer Dechant Dr. Hütten.
Am 30.0ktober 1927 wurde Pfarrer Dechant Dr. Hütten zum Oberpfarrer von St. Maria Himmelfahrt in Mönchengladbach ernannt.
Neuzeitliches
1815 Gründung der Gemeinde Wanlo.
Sie gehörte zum Kreis Grevenbloich im Regierungsbezirk Düsseldorf.
Kuckum wurde der Gemeinde zugeschlagen.
1929 Zugehörigkeit zum Landkreis Grevenboich - Neuß
1934 Eingemeindung in das Amt Wickrath
1971 Ausgliederung der Gemeinde Kuckum, das in in die Stadt Erkelenz eingegliedert wurde.
1975 Die Gemeind Wickrath wurde im Rahmen der Gebietsreform mit der Stadt Mönchengladbach und Rheydt zusammengelegt.

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