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Pfarrer Franz Maaßen

Am 27. November 1927 trat Herrr Pfarrer Franz Maaßen die Pfarrstelle Wanlo an.

Er kam von Büttgen-Vorst nach Wanlo.

Unter Pfarrer Maaßen wurde eine Orgel und neue Glocken angeschafft. Leider kam es - eigentlich ohne Schuld von Pfarrer Maaßen - zu einem Streit zwischen diesem und seinem Vorgänger, Pfarrer Hütten. Pfarrer Maaßen überprüfte die Kirchenbücher und stellte bezüglich der Einnahmen und Ausgaben irgendwelche Unterschiede fest. Er soll daraufhin .Pfarrer Hütten gebeten haben, die Dinge zu regeln. Doch Pfarrer Hütten soll erklärt haben, es sei alles in Ordnung. Nun muß wohl Pfarrer Maaßen den Kirchenvorstand unterrichtet haben und ein oder mehrere Mitglieder haben das nicht für sich behalten, sondern es wurde weiter erzählt. Es ist dem Chronisten im einzelnen nicht mehr bekannt um welche Summe es wohl anfänglich ging, doch es mag sich seiner Ansicht nach um Gelder gehandelt haben, d i e wohl für besondere Zwecke benutzt worden waren, da- Pfarrer Hütten ja mit der Gründung und Errichtung neuer Vereine, oder schulischen Einrichtungen schnell bei der Hand war. Und hierzu werden Geldmittel benötigt worden sein. Wie gesagt, es ist kein genaues Bild hierüber zu zeichnen. Und die ganze Angelegenheit wäre auch

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wohl ohne viel Lärm beendigt worden, wenn es nicht die damals sehr aktive kommunistische Presse als besonderen Leckerbissen angesehen hätte. Sie schlachtete es weidlich aus und ließ dicke. große Überschriften in ihrer Tageszeitung auf die Mißstände in der Kirche hinweisen. Da war es zu verstehen, daß sich die Staatsanwaltschaft dafür interessieren mußte. Es kam zum Prozeß und Pfarrer Hütteon wurde wegen Unterschlagung und Urkundenfälschung bestraft .Für das Dorf Wanlo bedeutet diese Zeit ein tiefer Einschnitt in das religiöse wie überhaupt in das dörfliche Leben. Das Dorf spaltete sich in zwei Parteien: die einen hielten mit Pfarrer Hütten, die anderen verurteilten dessen Verhalten und dessen Tun. Die Folge dieser Auseinandersetzungen war, daß das religiöse Leben sehr zurückging und die Auswirkungen sind noch Jahre danach nicht ganz ausgemerzt worden.

Pfarrer Maaßen haben diese Dinge gesundheitlich sehr zugesetzt .Zuletzt konnte er nur noch mit Hilfe andrer die hl. Messe zelebrieren. Am 31. Mai l931 verzichtete er auf die Pfarrstelle und verzog; nach Unkel am Rhein. Hier verstarb er am 7. März 1933

Im Anschluß an diese Zeilen wird eine Abschrift der kommunistischen Zeitung, der damaligen Zeit angefügt, die 1967 noch von einem Wanloer Bürger zur Verfügung gestellt werden konnte. Es muß jedoch ganz besonders darauf hingewiesen werden, daß die Ausführungen sehr einem propagandistischen Zweck bzw. kirchenfeindlichen Zweck dienten und. der Chronist möchte die Anfügung des Artikels auch so verstanden wissen, um nicht ein verzerrtes Bild des damaligen Vorfalls zu erwecken.


Die "Schreibfehler" des Dechanten Hütten
M. Gladbach, 21. Februar

Nach monatelanger Untersuchung fand. gestern ein Kapitel seinen Abschluß, von dem die bürgerliche Gesellschaft behaupt et, es handle sich um einen Einzelfall. Und doch war nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was sich seit einiger Zeit täglich stärker offenbart. Auch die Kirche und ihre Diener sind angefressen von der Fäulnis des morschen kapitalistischen Staates. Korruption und Betrug in allen Ecken. Hütten, vor kurzem noch Repräsentant des Katholizismus in M.-Gladbach versetzte durch seine Betrügereien and Unterschlagungen der Kirche einen. "moralischen Schaden", der nicht wieder gut zumachen ist, wie der Staatsanwalt in seiner unangenehmen Lage betonte.

Der geistliche Betrüger findet milde Richter.

In der Hoffnung und Gewißheit, milde Richter zu finden, betrat Dechant Dr. Hütten mit seinem Verteidiger den Gerichtssaal. Nicht etwa, um sich auf die Anklagebank zusetzen, sondern, um an einem Tisch, der sich außerhalb der Schranken befand, Platz zu nehmen.

Spuren von einer dreimonatlichen Untersuchungshaft waren nicht zu sehen. Außer einigen Zeugen, die nicht gehört wurden, waren als Gutachter Prof. Sioli und Dr. Kreutz, die den Angeklagten, wie dies bei Leuten der besseren Gesellschaft Mode ist, auf seinen Geisteszustand untersucht haben, und Dr. Fürth, aus Essen, der die "Buchführung" des Dechanten Hütten und seines Rendanten Meisen begutachtete, er schienen. Dem Angeklagten wird zur Last gelegt, durch Urkundenfälschung das Erzbistum Köln um 12 000 Mk geschädigt zu haben.

Hütten gibt dann einen kurzen Überblick über seinen Lebenslauf. Dieser Mann, der unter der Wanloer Bevölkerung wegen der Urkundenfälschung und seiner persönlichen Lebensweise die größte Empörung hervorgerufen hat, befindet sich seit 1895 in Amt und Würden. Auf die Frage, ob er die ihm zur Last gelegten Verfehlungen zugebe, antwortet er, ohne mit einer Wimper zu zucken, "im großen ganzen ja."

Die erzbischöfliche Behörde in Köln verlangte von der kath. Kirchengemeinde Wanlo eine Aufstellung über das Vermögen. Hütten stellte eine solche auf. Statt 23 Hektar Ländereien verbuchte er aber nur 9,36 Hektar. Das kam nicht von ungefähr. Der Pachtzins aus den Ländereien macht pro Jahr ungefähr 4000 Mark aus Dieser Betrag wurde auf sein Gehaltangerechnet. Nach der Aufstellung von Hütten waren es nur etwa 700 Mark, die ihm die bischöfliche Behörde in Anrechnung brachte.

Ein Rendant, der keine schriftlichen Arbeiten machen kann
Damit in Köln kein Zweifel über die Richtigkeit der Aufstellung entstehen konnte, wurde sie von dem Rendanten Meisen, gegen den noch ein Verfahren schwebt‚ mitunterzeichnet. Außerdem trug die Aufstellung die Namen der beiden Kirchenvorstandsmitglieder Küppers (Hubert Küppers d. Chronist) und Jordans, die Hütten ziemlich geschickt nachgeahmt hatte. Jordans,der gleichzeitig Küster war und für den ein Gehalt von 1 500 Mark im Etat vorgesehen war, bekam nur 720 Mark. Hütten stellte aber eine Quittung über 1 500 Mark aus. Auch hier vollzog er also eine Urkundenfälschung. Auf die Frage des Richters: "Warum haben Sie das ganze, im Etat vorgesehene Gehalt, nicht bezahlt?" schwieg er. In allen Kirchengemeinden ist es üblich, daß die Aufstellung des Etats von dem Rendanten vorgenommen wird.

Als Hütten gefragt wurde, warum dies nicht auch in Wanlo so gewesen sei, antwortet er stotternd:

Der Rendant hat einen Unglücksfall gehabt, durch den es ihm unmöglich war, schriftliche Arbeiten zu erledigen(?).

Die Differenz zwischen dem wirklichen Gehalt des Küsters und des erhaltenen sei für "außeretatliche" Zwecke verwandt worden (was mögen das für Zwecke gewesen sein ?)

Auf die Frage, wie hoch sein Gehalt gewesen sei, gab er eine Antwort, die das Schmunzeln aller Zuhörer, selbst die Schöffen konnten ein solches nicht unterdrücken, hervorrief. Er sagte: "Genau weiß ich es nicht, aber ich glaube, es waren 6 000 Mark.

Ich bin damit nicht schlecht gefahren

Da der Betrug in Köln nicht entdeckt wurde (was mögen die für eine Wirtschaft führen?) wurde er alljährlich wiederholt. Auf diese Art und Weise steckte Hütten pro Jahr 3 000 Mark in die Tasche. Alljährlich unterzeichnete er die Aufstellungen ohne Wissen Jordans und Küppers mit deren Namen. Auf die Frage, warum er das getan habe, gab er die Antwort: "Ich habe immer die Erfahrung gemacht, daß ich damit nicht schlecht gefahren bin."

(Wir glauben es)

Das Geld, das für die Vermietungen von Kirchenstühlen einkam, wurde nicht gebucht. Nach. Angaben Hüttens nicht gebucht, weil von seiten der Bischöfe der Wunsch bestanden habe. Kirchenstühle in Zukunft nicht mehr zu vermieten(?). Hütten gab im Verlaufe der Verhandlung zu, daß er die Unterschift von Jordans deshalb gefälscht habe, weil Jordans selbst seine Aufstellungen nicht unterschrieben hätte.

Auf die Frage, ob er das getan habe um sein Einkommen zu vergrößern, antwortet er sehr fidel: Jawohl.

Die Angabe, daß die Kirchengemeinde nur 9,36 Hektar Ländereien besaße, sei, so erklärte Hütten, auf einen "Schreibfehler" zurückzuführen. Ein eigentümlicher "Schreibfehler", der erstens einmal im Jahr - jedes Jahr - vorkam und zweitens dem Dechanten eine Summe von 3 000,- Mark extra einbrachte. Ein derartiger "Schreibfehler" rentiert sich.

Im Verlaufe der Verhandlung mußte er aber zugeben, daß schon

der zweite "Schreibfehler" bewußt gemacht worden sei.

24 000 Mark Nebenverdienst

Des weiteren stellte sich im Verlaufe der Verhandlung heraus, daß Hütten neben seinem regulären Gehalt, das aber 8 000 Mark betrug, in vier Jahren seines "Schaffens " 24 000 ,,Mark" Nebenverdienste, die sich zum Teil auf Grund der gemachten Urkundenfälschungen und aus Zuwendungen aus dem Verlag Oskar Kühlen rekrutierten erhielt. Tatsächlich ist es noch weit höher gewesen.

Auf die Frage seines Verteidigers, wo das Geld geblieben sei, antwortete er, das er das Geld für Anschaffungen im Haushalt, Zimmereinrichtungen und Ferienreisen ausgegeben habe. "Außerdem sei er von den Leuten sehr viel angebettelt worden." 50-60 Bittsteller seien jeden Tag gekommen und keiner sei leer ausgegangen (??). Die Berichte aus den Kreisen der Wanloer Bevölkerung lauten allerdings anders.

Hütten ist bestimmt nicht, wie dies der Verteidiger sagte, "krankhaft geberisch" veranlagt.

Wir berichteten ja schon früher, daß Hütten von den Leuten, die Ländereien der Kirchengemeinde gemietet hatten, den Pachtzins zwangsweise eintreiben ließ und sie so vor den Ruin brachte. Das Gutachten Fürths über die Geschäftsführung warf ein grelles Licht auf die Buchführung bei der kath. Kirche. Er führte aus, daß die Buchführung schon immer nicht gestimmt habe und er mehrere Monate gebraucht hätte, bevor er aus dem Dreck schlau geworden sei. Die Kasse sei, entgegen der Vorschrift, von zwei Leuten (Hütten und Meisen) geführt worden. Das Gutachten Prof. Siolis, das der Verteidiger aus begreiflichen Gründen nicht hören wollte, lautete kurz gefaßt:

Eine geistige Störung Hüttens hat weder jetzt noch in Vergangenheit vorgelegen.

Der Staatsanwalt als Verteidiger
Der Oberstaatsanwalt glaubte sagen zu müssen, daß er den Hüttenprozeß nicht wegen der Stadtverordnetenwahl verzögert habe, im Gegenteil, "Die Justiz der deutschen Republik ist unpolitisch". Für diesen Satz müßte er eigentlich prämiert werden.

Er hielt dann eine "Anklagerede", wie sie besser der Verteidiger nicht halten konnte.

Das Geständnis und die Reue (von der wir nichts gemerkt haben), sei strafmildernd. Die ganze Tat sei Zwangsläufig geschehen und sei damit zu entschuldigen, daß das Gehalt Hüttens 1924 außerordentlich knapp gewesen sei. (Welcher Arbeiter mag ein derartiges Gehalt, wie es Hütten bezogen hat, bekommen?) Nachdem er einmal Urkundenfälschung begangen habe, habe er den Weg zur Selbstüberwindung auf Grund der Pfarrherrlichkeit schlecht wiederfinden können. Wenn er diesen Mut nicht gefunden habe, so sei das auf die "inneren Hemmungen", die man verstehen könne, zurückzuführen. Außerdem habe er für die Armen und Bedrängten immer eine offene Hand gehabt (?). Der moralische Schaden, den er der kath. Kirche zugefügt habe, sei allerdings nicht wieder gut zu machen und falle erschwerend ins Gewicht. Er beantrage wegen fortgesetzter Urkundenfälschungen und gewinnsüchtiger Unterschlagungen für das erstere ein Jahr, für das zweite Vergehen 6 Monate Gefängnis. Strafzusammenlegung auf 1 Jahr 2 Monate Gefängnis unter Anrechnung der Untersuchungshaft. Nach dreiviertelstündiger Beratung wurde das Urteil, welches auf 1Jahr 2 Monate Gefängnis lautete gefällt. Der Antrag des Verteidigers auf Haftentlassung, auch gehen Stellung einer Kaution, wurde, da Fluchtverdacht bei kath. Geistlichen außerordentlich groß ist, abgelehnt.

Hütten hatte gern für seine Gläubiger den Ausspruch auf Lager: "Man muß stets auf den Tod vorbereitet sein."

Wir wissen zwar, daß die Verurteilung Hüttens noch lange nicht seinen Tod bedeutet. Uns kümmert zwar die Person Hüttens wenig. Wir führen einen Kampf gegen ein System. Ganz offen hat die Verhandlung gezeigt, daß

Kirche und Justiz eine der Hauptstützen des herrschenden Systems bilden.

In diesem Zusammenhang betrachtet können wir nicht umhin, ein Wort zu dem Papstbrief, dessen Fortsetzung ein Hirtenbrief des Kardinals Schulte bildet, sagen: Das proletarische Rußland, wo für Betrüger und kapitalistische Ausbeuter, die die Interessen der Allgemeinheit mit Füßen treten, kein Platz ist, ist diesen Kreisen ein Hindernis. Nicht Zerstörung der Kirche, keine Vertreibung der Geistlichkeit, wie das ganz offen der russische Kirchenfürst festgestellt hat, sehen wir dort. Wogegen sich aber der Arbeiterstaat wehrt ist, dass Leute im geistlichen Gewand sich in Dinge mischen, die dem proletarischen Staat der Arbeiter und Bauern zuwider laufen. Eine Pflicht der Selbsterhaltung ist es, wenn die Sowjetbehörde gegen Leute, die es trotzdem tun, einschreitet. Dort schwimmt aber auch die Kirche nicht so im Gelde, wie das bei uns in Deutschland der Fall ist. Mit Hilfe der Sozialdemokratie werden doch durch das Konkordat jährlich Millionen der Kirche in den "Rachen" geworfent, so daß Unterschlagungen, wie sie Hütten beging, nicht weiter auffallen. Der Papstbrief will daß Staatsanwalt, kapitalistischer Staat und Kirche weiter eine Front bilden. Weil das im Sowjetstaat anders ist, deshalb ist der Papst und die kapitalistischen Gruppen bestrebt, den proletarischen Staat niederzuschlagen. Wir sagen ganz offen den christlichen Arbeitern, die wegen dem milden Urteil gegen Dechant Hütten staunen werden, daß nur durch das geschlossene Handeln der revolutionären Arbeiterschaft solche Betrügereien unmöglich gemacht werden können. Nur der proletarische Staat würde solche Betrüger einer gerechten Aburteilung entgegenführen.

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